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03.09.25
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Unternehmen & Märkte

Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit schrumpft seit zehn Jahren

Dr. Geraldine Dany-Knedlik
© DIW Berlin / Florian Schuh

Die deutsche Wirtschaft schwächelt, die Nachfrage nach Fachkräften sinkt spürbar, wie der aktuelle Hays-Fachkräfte-Index zeigt. Was dieser Trend für Unternehmen und den Arbeitsmarkt bedeutet, erklärt Dr. Geraldine Dany-Knedlik vom DIW Berlin.

Der Nachfrageeinbruch bei Fachkräften hält an. Worauf führen Sie das hauptsächlich zurück?

Dr. Geraldine Dany-Knedlik: Grund dafür sind die strukturellen Veränderungen der deutschen Wirtschaft. Die wirtschaftliche Schwäche der letzten Jahre geht nicht nur auf eine konjunkturelle Flaute zurück, sondern wurde zu einem großen Teil von strukturellen Faktoren ausgelöst. Deutschland hat seit fast zehn Jahren an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verloren, insbesondere im Bereich des exportorientierten verarbeitenden Gewerbes, vor allem der Automobilbranche. Grund dafür sind hohe Produktionskosten und mangelnde Innovationskraft. Zwar sehen die konjunkturellen Aussichten aufgrund des kommenden immensen Finanzpakets nun deutlich besser aus, die strukturellen Probleme werden dadurch aber nicht behoben.

Auch in den Branchen zeichnet sich dieser Negativtrend ab. Der Handel, aber auch die IT-Branche registrieren signifikante Rückgänge. Wann ist eine Erholung zu erwarten?

Dr. Geraldine Dany-Knedlik: Der Elefant im Raum ist sicherlich die strukturelle Transformation der deutschen Wirtschaft, sprich die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit und die im internationalen Vergleich hohen Produktionskosten. Einige Branchen werden jetzt stark von dem großen Finanzpaket profitieren, zum Beispiel die Baubranche, weil ein Großteil der öffentlichen Mehrausgaben zum Beispiel für verbesserte Straßen, aber auch den Wohnungsbau verwendet werden soll. Die IT-Branche im Speziellen dürfte wohl von den höheren geplanten Militärbeschaffungen profitieren. Durch Zweitrundeneffekte dürfte es dann auch Branchen wie dem Handel allmählich besser gehen. Alles in allem bleibt aber weiterhin spannend, inwieweit die öffentlichen Mehrausgaben die strukturellen Probleme beheben können. Dafür müssen die digitale und die Verkehrsinfrastruktur schnell auf Vordermann gebracht und in Zukunftstechnologien investiert werden, außerdem braucht es verlässliche und bezahlbare Energiepreise. Gelingt das, können neue Wachstumsperspektiven entstehen.
 

2 Mitarbeitende der Baubranche stehen in Arbeitskleidung auf einer Baustelle
© GettyImages 1796832170 / gorodenkoff

Die Baubranche werde stark von dem großen Finanzpaket profitieren, prognostiziert Dr. Geraldine Dany-Knedlik vom DIW Berlin, weil ein Großteil der öffentlichen Mehrausgaben zum Beispiel für verbesserte Straßen, aber auch den Wohnungsbau verwendet werden soll.

Wie reagieren Unternehmen vor dem Hintergrund der DIW-Wachstumsprognosen und der Ankündigung von staatlichen Mehrausgaben?

Dr. Geraldine Dany-Knedlik: Wir wissen aus empirischen Studien, dass Unternehmen viel früher handeln, als Gesetze tatsächlich unterzeichnet sind. Was zählt, ist die glaubwürdige Ankündigung öffentlicher Mehrausgaben. Dies ist nun im Rahmen des Sondervermögens für die Infrastruktur und den Klimaschutz und auch der Ausnahme von Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse bereits geschehen. Insgesamt sind ab dem kommenden Jahr über die nächsten zehn Jahre hinweg deutliche öffentliche Mehrausgaben zu erwarten. Im Schnitt sprechen wir von über 40 Milliarden Euro pro Jahr, das ist ungefähr ein Prozent des realen Bruttoinlandsprodukts in Deutschland. Die betroffenen Branchen dürften sich bereits auf öffentliche Aufträge vorbereiten.

Welche Signale erwarten Sie wann aus der Politik, damit Unternehmen endlich wieder zurückgestellte Investitionen angehen und in Neueinstellungen investieren?

Dr. Geraldine Dany-Knedlik: Mit den immensen angekündigten öffentlichen Mehrausgaben sind diese Signale schon gekommen. Es stellt sich jetzt die Frage, ob die Unternehmen darauf entsprechend reagieren. Da die öffentlichen Mehrausgaben für eine bestimmte Verwendung gedacht sind, dürften diese Signale auf die Industriezweige allerdings unterschiedlich stark wirken. Natürlich ist davon auszugehen, dass sowohl die Rüstungsindustrie als auch der Bau besonders von den öffentlichen Geldern profitieren werden. Der Handel und das Gastgewerbe beispielsweise werden wohl nur indirekt und dadurch etwas verzögert Vorteile aus den öffentlichen Mehrausgaben ziehen.

Eine Hays-Umfrage hat ergeben, dass viele sich einen Wechsel in ein Unternehmen im Ausland vorstellen können, da es dort bessere Aussichten (Lebensbedingungen, steuerliche Vorteile, politische Erwägungen und weniger Bürokratie) für sie gibt. Wie ist das zu erklären und wie sollte man dem entgegenwirken?

Dr. Geraldine Dany-Knedlik: Dass IT-Fachkräfte ins Ausland abwandern, ist ein seit Längerem bekanntes Problem. Das dürfte vor allem daran liegen, dass innovative Tech-Unternehmen im Ausland und nicht in Deutschland sitzen. Die Gründungs- und Innovationstätigkeit in Deutschland im Tech-Bereich ist eher verhalten. Vor allem wenn neue Unternehmen eine gewisse Größe erreichen, fehlen oft die Finanzierungsmöglichkeiten, was dann entweder zum Abwandern der Unternehmen führt oder zum Verkauf.  Hier kommt es darauf an, solche Unternehmen überlebensfähig zu machen, damit die Arbeitsplätze in Deutschland bleiben beziehungsweise entstehen können. Das hat viel mit den Rahmenbedingungen zu tun, zum Beispiel mit dem Zugang zu den Kapitalmärkten, mit Steuern und Abgaben, mit öffentlicher Förderung, aber auch mit Aspekten wie dem Bildungs- und Betreuungssystem, das für potenzielle Mitarbeiter*innen ein entscheidender Faktor ist.

 

Dr. Geraldine Dany-Knedlik© DIW Berlin / Florian Schuh

Zur Person

Geraldine Dany-Knedlik leitet das Konjunkturteam am DIW Berlin. Ihre Expertise liegt in internationaler Makroökonomik und Geldpolitik, mit Schwerpunkten auf Inflation, geldpolitischen Transmissionseffekten und der Verbindung von Realwirtschaft mit Ungleichheitsdynamiken.

 

 

 

 

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